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Direktanspruch gegen Gesellschafter-Geschäftsführer auf Unterlassung unrichtiger Gesellschafterlisten

Fachbeitrag im Gesellschaftsrecht

Sachverhalt

Der Kläger, ein GmbH-Gesellschafter, fordert von der beklagten Geschäftsführerin (Bekl. zu 1) und der Gesellschaft (Bekl. zu 2), die Einreichung einer materiell unrichtigen Gesellschafterliste zu unterlassen.

Ursprünglich war der verstorbene Ehemann der Beklagten Alleingesellschafter und Geschäftsführer der Beklagten zu 2. In seinem Testament bestimmte er, dass 80 % der Anteile an die Beklagte zu 1 und 20 % an den Kläger übergehen sollten. Nach dem Tod des Erblassers trat die Beklagte zu 1 dem Kläger 20 % der Geschäftsanteile ab. Später erklärte die Beklagte zu 1 sowohl die Anfechtung der Abtretung als auch des Testaments. Dennoch wurde die Gesellschafterliste gemäß den im Testament festgelegten Anteilen ins Handelsregister eingetragen.

Später wurde die Beklagte zu 2 zur Geschäftsführerin berufen. Als der Kläger die Beklagte zu 1 zwei Jahre später zur Einberufung einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung wegen angeblicher schwerwiegender Pflichtverletzungen aufforderte, äußerte diese Zweifel an seiner Gesellschafterstellung. Sie bezweifelte die Gültigkeit der Abtretung und behauptete, dass der Erblasser beim Einräumen des Vermächtnisses an den Kläger einem Motivirrtum unterlegen sei. Daher kündigte sie die Einreichung einer korrigierten Gesellschafterliste an, auf der der Kläger nicht mehr als Gesellschafter ausgewiesen sein sollte.

Der Kläger setzte sich erfolgreich mit einer einstweiligen Verfügung gegen die angekündigte Einreichung der „korrigierten“ Gesellschafterliste zur Wehr. Parallel dazu strebte er eine gleichlautende Verurteilung im Hauptverfahren an. In erster Instanz gab ihm das Landgericht Stade recht (Az. 8 O 53/20), und das Oberlandesgericht Celle (Az. 9 U 1/21) bestätigte dies in der Berufungsinstanz. Der Kläger hat einen Anspruch darauf, dass die Gesellschafterliste, die ihn nicht mehr als Gesellschafter ausweist, nicht eingereicht wird. Er kann nicht nur die Gesellschaft als Ganzes, sondern auch den Geschäftsführer persönlich wegen Verletzung seiner organschaftlichen Pflichten in Anspruch nehmen. Denn die bisherige Gesellschafterliste war nicht falsch, und es kommt nicht auf die Wirksamkeit der Abtretung an, da kein Motivirrtum vorlag, der die Anfechtung des Testaments rechtfertigen würde.

Die Rechtsauffassung des BGH

Der Bundesgerichtshof kam als Revisionsgericht zum gleichen Ergebnis. Er wählte indes einen anderen Begründungsweg für die Herleitung des Anspruchs. Die Geschäftsführerin kann nicht in ihrer organschaftlichen Stellung als Geschäftsführerin in Anspruch genommen werden, da zwischen Gesellschafter und Geschäftsführer keine direkten Rechtsbeziehungen bestünden. Grundsätzlich haftet der Geschäftsführer ausweislich § 43 Abs. 2 GmbHG nur der Gesellschaft gegenüber. Allerdings kann der Kläger die Beklagte zu 1 in ihrer Eigenschaft als Gesellschafterin wegen Verletzung der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht in Anspruch nehmen. Ein Unterlassungsanspruch kommt mithin nur in Betracht, wenn der Geschäftsführer auch Gesellschafter ist. Ein Gesellschafter-Geschäftsführer verletzt seine Treuepflicht, wenn er die Stellung als GmbH-Geschäftsführer ausnutzt, indem er eine materiell unrichtige Gesellschafterliste einreicht, um missbräuchlich eigene Interessen durchzusetzen.

Eine Treuepflicht besteht nicht nur im Verhältnis zwischen Gesellschaft und Gesellschafter, sondern auch unter den Gesellschaftern. Die Einreichung einer materiell unrichtigen Gesellschafterliste verletzt diese Treuepflicht. Denn aufgrund der negativen Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 GmbHG kann der Gesellschafter keine Rechte wahr­nehmen, wenn er nicht in der Gesellschafterliste ausgewiesen ist. Er vermag nicht an der Entscheidungsfindung und der Gestaltung der Gesellschaft teilnehmen. Damit ist der Kernbereich seiner mitgliedschaftlichen Rechte betroffen.

Die Eigennützigkeit der Motivation der Bekl. zu 1 erblickte der Bundesgerichtshof darin, dass diese die Gesellschafterstellung des Klägers erst dann infrage stellte, als dieser die außerordentliche Hauptversammlung einberufen wollte, die ihre Abberufung aus wichtigem Grund zum Gegenstand hatte.

Als Rechtsfolge für die Verletzung der Treuepflicht kann der Gesellschaft nach §§ 280 Abs. 1, 249 Abs. 1 BGB die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes als Schadensersatz verlangen. Konkret kann der Gesellschafter von dem Gesellschaftergeschäftsführer die Einreichung der materiell richtigen Gesellschafterliste verlangen, wenn die unrichtige Gesellschafterliste bereits eingereicht wurde. Möglich ist auch, aus § 280 BGB Unterlassung der Einreichung der unrichtigen Liste zu verlangen, wenn – wie im vorliegenden Fall – eine Erstbegehungs- oder Wiederholungsgefahr gegeben ist.

Auswirkungen auf die Praxis

In der Praxis bedeutet dies, dass, falls eine Gesellschafterliste fehlerhaft eingereicht wird, der Geschäftsführer, sofern er gleichzeitig Gesellschafter ist, ebenfalls rechtlich belangt werden kann. In solchen Fällen können sowohl präventive Unterlassungsklagen als auch Klagen zur Korrektur der Liste in Betracht gezogen werden, je nachdem, ob die fehlerhafte Liste bereits eingereicht wurde oder nicht. Diese Möglichkeit einer direkten Klage gegen den Gesellschafter-Geschäftsführer stellt ein effektives Druckmittel für benachteiligte Gesellschafter dar, das ihnen vom Bundesgerichtshof zur Verfügung gestellt wird.

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