In seiner aktuellen Pressemitteilung vom 20. Dezember 2022 hat das Bundesarbeitsgericht festgestellt, dass der Anspruch auf gesetzlichen Mindesturlaub aus einem Arbeitsjahr, in dem ein Arbeitnehmer aufgrund von gesundheitlichen Gründen daran gehindert war, seinen Urlaub zu nehmen, normalerweise nicht automatisch nach Ablauf eines Übertragungszeitraums von 15 Monaten verfällt. Diese Regelung gilt jedoch nur unter der Bedingung, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Möglichkeit gegeben hat, den Urlaub rechtzeitig zu nehmen. Diese Auslegung beruht auf den Vorschriften des § 7 Abs. 1 und Abs. 3 BUrlG.
Der Kläger, der als schwerbehinderter Mensch anerkannt ist, arbeitet als Frachtfahrer für die beklagte Flughafengesellschaft im Bereich Bodenverkehrsdienste. Aufgrund voller Erwerbsminderung aus gesundheitlichen Gründen konnte er von Dezember 2014 bis mindestens August 2019 nicht arbeiten und somit keinen Urlaub nehmen. Er macht geltend, dass ihm noch Resturlaub aus dem Jahr 2014 zustehe, der nicht verfallen sei, da die Beklagte ihre Pflichten zur Gewährung und Nutzung des Urlaubs nicht erfüllt habe.
Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab, aber die Revision des Klägers hatte teilweise Erfolg hinsichtlich des Resturlaubs aus dem Jahr 2014. Im Gegensatz zur Ansicht der Beklagten verfiel der nicht genommene Urlaub des Klägers im Jahr 2014 nicht nur aufgrund seiner gesundheitlichen Einschränkungen.
Normalerweise verfallen Urlaubsansprüche am Ende des Kalenderjahres oder nach einem zulässigen Übertragungszeitraum, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor zur Urlaubsnahme aufgefordert hat und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch freiwillig nicht genommen hat. Es gibt jedoch Ausnahmen, insbesondere wenn der Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage war, Urlaub zu nehmen.
Früher erloschen gesetzliche Urlaubsansprüche in solchen Fällen automatisch am 31. März des zweiten Folgejahres („15-Monatsfrist“). Diese Regelung wurde jedoch gemäß der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 22. September 2022 (- C-518/20 und C-727/20 – [Fraport]) weiterentwickelt.
Demnach erlischt der Urlaubsanspruch weiterhin nach Ablauf der 15-Monatsfrist, wenn der Arbeitnehmer seit Beginn des Urlaubsjahres bis zum 31. März des zweiten auf das Urlaubsjahr folgenden Kalenderjahres aufgrund gesundheitlicher Gründe daran gehindert war, seinen Urlaub zu nehmen. In einem solchen Fall ist es irrelevant, ob der Arbeitgeber seinen Verpflichtungen nachgekommen ist, da diese nicht zur Urlaubsnutzung beitragen konnten.
Jedoch liegt die Situation anders, wenn der Arbeitnehmer, wie im vorliegenden Fall, tatsächlich im Urlaubsjahr gearbeitet hat, bevor er aus gesundheitlichen Gründen arbeitsunfähig wurde. In solchen Fällen muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer in der Regel die Möglichkeit gegeben haben, seinen Urlaub rechtzeitig zu nehmen, bevor die Arbeitsunfähigkeit eintritt.
Der Resturlaubsanspruch für das Jahr 2014, der 24 Arbeitstage umfasste, konnte daher nicht allein aufgrund der Gesundheitsprobleme des Klägers am 31. März 2016 erlöschen. Der Resturlaub blieb erhalten, da die Beklagte bis zum 1. Dezember 2014 ihren Pflichten nicht nachgekommen war, obwohl sie dazu in der Lage gewesen wäre.
Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 20. Dezember 2022 – Aktenzeichen: 9 AZR 245/19 – betrifft die Revision des Hessischen Landesarbeitsgerichts, Urteil vom 7. März 2019 – Aktenzeichen: 9 Sa 145/17.